Liebe Sascia,
wie sich Gedanken manchmal überschneiden. I c h dachte heute abend, Mensch Du wirst den vielen Katzen gar nicht gerecht. So innig und einzigartig wie Sascia über Tilly schreibt, Tilly bekommt Sascias ungeteilte Liebe. Meine Seniorin sitzt wie die Urahne auf einem Bauernhof, die man zum Kartoffelschälen in die Küche verbannt hat, in ihrem Körbchen und kräht nach Aufmerksamkeit, aber die anderen sind lauter. Außerdem fiel mir auch auf, daß sie sich in den letzten Tagen alle ziemlich verkrümeln und ich dachte, du versorgst sie zwar, aber anscheinend strahlst du nicht die Ruhe aus, die sie sonst zu dir zieht. Ich habe mich dann mal auf die Couch gelegt und Mika angelockt zu einem Schäferstündchen, aber Mette war schneller. Während Mika noch überlegte, kam Mette wie der Blitz angesaust. Ich glaube, das ist wie mit Einzelkind und mehreren Kindern. Aber dafür haben sie ja auch ihre Katzen-Gemeinschaft und haben keine Langeweile.
Der Janni fehlt natürlich und natürlich bin ich tief innen auch traurig. Man hat das (irrationale) Gefühl versagt zu haben - auch wie bei einem Kind - denn ich wollte ihn doch beschützen, er war doch noch so klein...
Du schreibst über die Jahre, die bei Dir vermeintlich fehlen...
Ich bin der absolute Spätstarter in jeder Hinsicht. Ich habe erst Germanistik und Geschichte studiert, ohne Abschluß, dann zwei Jahre Assistentin des Hallenmanagers in einem Squash-Center. Danach eine Lehre als Reno-Gehilfin, anschließend Leiterin der Textverarbeitung in einer Werkzeugfabrik, danach vier Jahre als Chefsekretärin und Assistentin/GL bei zwei Firmen. Dann hatte ich begriffen, daß das ein ganz einsamer Job ist in einer Männerwelt, den ich Affenfelsen nenne. Laut schreien, sich selbst beweihräuchern, alles Lob für den Chef, Kritik an die Mitarbeiter. Als dann einer sagte: Sie können einfach nicht tun, was man Ihnen sagt, sie wollen selber Chef sein, sagte ich, danke für die Analyse, genau das ist es, schüttelte den Staub von meinen Schuhen, ging zurück in meine Heimatstadt und machte meinen Getränkemarkt auf. In den Augen einiger Leute fehlt mir jetzt vielleicht das Sozialprestige, aber ich fühle mich jetzt sehr gut aufgehoben. Wir sind ein ganz tolles Team, ein Servicemarkt, wo Kunden von jungen Leuten rundherum bedient und beraten werden mit Ausliefergeschäft. Unser Motto ist "Service mit Herz" und wir leben das auch und schaffen es seit 13 Jahren gegen die Konkurrenz der Discounter anzustinken (Wal-Mart go home!)
Ja, Sascia, vielen Dank für Dein Kompliment über meine "Super-Figur". Das ist aber auch so eine Sache... Ich bin eine runtergehungerte Dicke. Ich habe ja geschrieben, daß ich bis 30 viele Probleme hatte, habe auch eine Gruppentherapie gemacht, die mir sehr viel gebracht hat. Habe in dieser Gruppe gemerkt, daß alle ihre Probleme hatten, daß ich aber im Gegensatz zu den anderen in der Gruppe die größte Dynamik und Sparchgewalt hatte. Ein Satz, der für mich sehr wichtig war, ist quasi mein Lebensmotto.
Ein intelligenter Mensch kann genau soviel Wege gehen, wie er sich vorstellen sprich denken kann. Es gibt nie nur einen Weg. Wenn das Beste nicht klappt, macht man das Zweitbeste. Ich habe mich quasi geistig neu erschaffen und erzogen und parallel dazu purzelten die Pfunde. Es war schön, nicht nur abzunehmen, sondern zu merken, daß man darunter eine Figur hatte. Aber ich wurde immer strenger mit selbst, jedes Jahr noch ein Kilo runter. Vor drei Jahren hatte ich dann mal wieder eine echte Krise. Ich habe von meiner Mutter geerbt eine Bindegewebsschwäche am Hals, da "schwabbelte" es also und ich wollte das weghungern, aber das ging natürlich nicht, ich war dann bei unter 40 Kilo. Hatte auch noch eine Affaire mit einem 30 jährigen Lover, war natürlich nach 72 Stunden Romantik nur noch Stress, und dann wollte ich eine Gesichts-OP, eine Straffung des Halses. Meine Familie war entsetzt,"Du hast doch so lange mit deinem Gesicht gelebt, wieso geht das jetzt nicht mehr? Ich wollte keine Verjüngung, keine zweite Paris Hilton werden. Ich wollte das, was ich optisch von meiner Mutter habe, weghaben wie den Psychokram. Das Verhältnis zu meiner Mutter war äußerst problematisch, sie hat, vielleicht ohne es zu wollen, viel bei mir kaputt gemacht, mein Selbstwertgefühl. Vorgelebt hat sie Schwäche. Ich habe ihr das alles längst verziehen und meinen Frieden mit ihr gemacht, aber ich wollte nicht so aussehen. So habe ich für viel viel Geld diese OP machen lassen, die mich eigentlich nur unwesentlich veränderte. Der Schwabbelhals ist weg, ich bin dadurch auch ein bißchen toleranter meinen Kilos gegenüber, aber das Gesicht ist an den Seiten taub geblieben. Die Nerven, die bei so einer OP zerschnitten werden, sind nicht richtig oder nur unvollständig wieder zusammengewachsen. Das wußte ich vorher natürlich nicht, aber es ist nicht so schlimm und es hätte ja auch noch mehr schief gehen können.
So tapert man durchs Leben, ist eigentlich ganz vernünftig und dann wieder völlig bescheuert. Aber bereuen tue ich nichts! Ich hatte in jungen Jahren ein buntes und bisweilen arg aufregendes Leben, jetzt ist es friedlicher, aber langweilig war es nie.
Wessen Katze ist Trixie, die gesprächige? Gabrieles?
Ich war jetzt auch sehr gesprächig. Glaube, das ist auch eine Form der Verarbeitung von Jannis Tod.
Gute Nacht!
Petra