Die Katzen, die niemand will...
Wir haben hier ja etliche Streuner. Ich kann beim besten Willen aber nicht sagen, dass alle Familienanschluss wollen. Manche haben noch ihre Ur-Instinkte - sie schätzen unser Futter und vielleicht noch eine Styroporbox, wollen mit uns aber nichts zu tun haben. Und ich weiß nicht, ob wilde Katzen automatisch immer unglückliche Katzen sind.
Wilde Katzen haben sich ihr Schicksal eben nicht selbst ausgesucht. Es wurde ihnen aufgezwungen. Sei es durch verantwortungslose Vermehrung, durch Aussatz oder durch schlechte und nachlässige Haltung, die Katzen abwandern lassen.
Ich verstehe nicht, wie man immer wieder nahezu romantisch verklärt davon sprechen kann, wie gut es unseren (verwilderten) Katzen mit ihrer ach so tollen Freiheit gehen würde. Tut es nämlich nicht. Ihnen wird nachgestellt, sie werden beschossen, vergiftet, gequält. Sie leiden unter Hunger, unter Parasiten und infizieren sich mit tödlichen Krankheiten, die sie an andere verwilderte, ungeimpfte Katzen weitergeben. Sie müssen sich gegen andere Katzen im Revier behaupten und leben je nach Lage und Katzendichte in permanentem Streß. Sie werden von Hunden gehetzt, ihre Nachkommen krepieren an Schnupfen oder verhungern, weil die Mutter nach dem x-ten Wurf ausgemergelt ist.
Am schlimmsten sind die ausgesetzten Katzen dran, die es nie gelernt haben, Beute zu machen oder sich vom Strassenverkehr fern zu halten. Die von ihren Artgenossen auf Grund von Revieransprüchen permanent verjagt werden. Diese armen umher irrenden Katzen, die traumatisiert und total verstört mit der aufgezwungenen Freiheit nicht zurecht kommen. Nicht unglücklich sieht für mich anders aus. Wie schlimm muss es sein, wenn eine Katze nicht nur ihren vertrauten Menschen verliert, sondern auch ihr Vertrauen im Überlebungskampf gegenüber dem Menschen allgemein. Der ihr plötzlich unerbittlich nachstellt, weil sie in unser Ökosystem eben nicht reingehört, anstatt sie wie bisher auf der Couch zu knuddeln.
Bei uns lief letztes Jahr ein schwarzer Kater herum, dem das rechte Vorderbein abgerissen war. Wochen haben wir gebraucht, bis wir ihn einfangen konnten. Lieber wäre er verhungert, als in die bereit stehende Falle zu gehen. Ich habe ihn immer vom Balkon aus gesehen, wenn er sich auf den freien Platz inmitten der Brombeerhecken mal zum ausruhen hinlegte. Dieses Bild eines gehetzten Tieres werde ich nie vergessen. Der Kater hatte solch eine Angst und war so schlimm misstrauisch, eigentlich vor allem. Er wurde sehr oft von den anderen streunernden Katern gemobbt und gejagt. Er hat von jedem auf die Mütze bekommen - vom Menschen, von Artgenossen und vor allem von Hunden. Wie oft habe ich geheult, weil er einfach nicht in die Falle gehen wollte. Es wäre nur ein kleiner Schritt für ihn gewesen. Lieber hat er gehungert. Erst im Winter konnten wir das total entkräftete, fast verhungerte Tier mit der Hand einfangen. Er hatte sich zu dem Zeitpunkt aufgegeben und war nur noch ein Gerippe mit Hautüberzug, der im Gebüsch liegend auf seinen Tod wartete. Hannes, so nannten wir ihn, hat mit uns den Kampf um sein Leben aufgenommen und wird heute bei meiner Freundin auf deren Hof liebevoll verpflegt. Er musste auch irgendwann in seinem Leben ein nettes Zuhause gehabt haben, denn er hat sich seinen Lebensrettern geöffnet und schläft jetzt wieder glücklich auf seiner neuen Couch. Er entfernt sich nicht, als hätte er Angst, wieder alles zu verlieren.
Wo ich wieder beim Thema bin: er ist irgendwo irgendwann zur Welt gekommen. Vielleicht sogar bei Menschen, die doch auch nur mal einen Wurf Katzen haben wollten. Aber ihre Verantwortung wahrscheinlich nicht ernst genug nahmen. Falsche Leute für ihn aussuchten oder ihn einfach vor die Türe setzten. Leider kann Hannes uns sein Schicksal nicht erzählen. Aber es hatte es zumindest zeitweise mit ihm alles andere als gut gemeint.
Mit der Praxis, Katzen mit bereits weit entwickelten Föten zu kastrieren, kann ich mich nicht anfreunden. Aber auch hier gibt es nicht nur schwarz und weiss. Eine verwilderte Katze, die die Decke in Gefangenschaft hoch und runter rennt und nur in Panik lebt, wird ihre Kitten nur unter allergrösstem Stress in Gefangenschaft aufziehen können. Diese Katze sollte ihre Kitten nicht bekommen müssen, sondern kastriert und wieder an ihren Platz, wenn der denn betreut ist, gesetzt werden.
Dem Menschen zugewandte Katzen sollten ihre Kitten austragen können. Aber dazu braucht es eben Pflegestellen. Ich habe leider keine Lösung parat, wie es mit den vielen Katzen weiter gehen soll. Ich weiss, das jedes Jahr die Heime, Pflegestellen aus allen Nähten platzen und es jedes Jahr schlimmer wird.
Mein Verein kastriert in Rumänien Hunde - da wird wirklich alles kastriert, was eingefangen werden kann. Die Welpen hätten in den Lagern, in denen bis zu Hunde 4500 Hunde weggeschlossen sind, NULL Chance. Aber dort hat man auch nicht die Möglichkeit und die finanziellen Mittel, bei jeder Hündin vorher nachzuschauen, wie weit sie in der Trächtigkeit ist. Und auch gar nicht den Anspruch, die Hundepopulation weiter ansteigen zu lassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Ärzte glücklich sind, wenn sie ungeborenes Leben aus den Leibern schneiden. Diese Aktionen werden das unendlich schlimme Tierelend nicht nicht auslöschen können. Áber sie bewahren ungeborenes Leben vor unendlich schlimmen Leid und schenken den betroffenen Hündinnen u.U. sogar ein etwas besseres und längeres Leben.
So schlimm wie es ist, für diese ungeborenen Welpen in diesem Land ist alles besser als überhaupt geboren zu werden. Ihre Chance, im Lager geboren zu werden und dort bis zum Tode bleiben zu müssen, läge ja auch bei fast 90 %. Die der dort untergebrachten Muttertiere liegt bei gleich 0, jemals überhaupt nur einen einzigen Interessenten zu bekommen.
Meine ehemalige Straßenhündin hat 4 Welpen in Rumänien in der Obhut einer Tierärztin zur Welt gebracht. Erst anschliessend wurde sie in das Hundelager Cluj verbracht. Der letzte Welpe musste fast 2 Jahre alt werden, bis auch er nach Deutschland in ein neues Zuhause kommen durfte. 2 Jahre in einem Auslauf mit 10 anderen Hunden, der gerade mal 14 qm hatte. Nie Gras under den Füßen, nur rundherum Hunde, keinen Zuspruch, keine Zuneigung. Ein dahin vegetieren. Welch eine Qual für alle Hunde. Ein kranker Hund war gleichbedeutend schon ein toter Hund.
In Deutschland sind wir auf dem besten Weg, das in naher Zukunft mit den vielen heimatlosen Katzen genauso umgegangen wird, wie rund um uns in Europa mit den armen Hunden.
Nur mit dem Unterschied, dass die Katzen leise leiden und das Elend meist erst dann zu sehen ist, wenn die meisten Menschen in ihren Betten liegen und schlafen. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, wenn sich an dieser Vermehrungsproblematik nichts ändert, dass auch in Deutschland gesunde Katzen eingefangen und getötet werden müssen, weil keiner mehr weiss und es auch nicht wissen will, wohin mit ihnen.
UNd daher ist jede Katzenvermehrung eine Vermehrung zu viel.
NS:
Ich musste gerade feststellen, dass in
10 km Radiusg rund um meinen Wohnort aktuell über eine Internetplattform
792 Katzen zum Verkauf angeboten werden ! Da sind nicht mal die Tierschutztiere dabei.
Ich bin gerade sprachlos.